Die Deutschen überschätzen stark das Zinsniveau
Festgeld und andere Investitionen sind bei den Deutschen als sichere Anlagen die Favoriten. Die Sparer glauben beim Tagesgeld noch an Rendite von 1,32 Prozent, der Zinssatz liegt im Durchschnitt viel niedriger. Vor einigen Jahren gab es auf das Ersparte noch über 4 Prozent, nun sind die Prozente auf null gesunken. Vom Leitzins der Europäischen Zentralbank ist nichts mehr übrig geblieben. Für Sparbücher, Fest- und Tagesgeldkonten, immer noch als klassische Anlagen genutzt, gibt es kaum noch Rendite. Diese Wandlung scheint bei den Deutschen noch nicht angekommen zu sein und sie überschätzen das derzeitige Zinsniveau ganz und gar. In einer repräsentativen Studie zeigten dies fünf große Direktbanken auf.
Der Studie zufolge korrigierten die Deutschen wohl ihre Erwartung bei Festgeldkonten die Renditen nach unten. Die Bürger glaubten vor zwei Jahren noch an die Möglichkeit, einen Zinssatz von rund 2,1 Prozent zu erhalten. Heute wird ein Wert von 1,65 Prozent für realistisch angesehen. Jedoch ist selbst dies längst nicht mehr realistisch: Das Guthaben belohnen die Banken im Durchschnitt mit kleinen 0,37 Prozent. Einige Institute sogar noch weit darunter. Gemäß verschiedenen Vergleichsportalen können Kunden der Comdirect nur noch mit 0,1 Prozent Zinsen rechnen, ausgelegt auf eine Anlage von 10.000 Euro für drei Jahre bei diesem Institut.
Das Naturgesetz hoher Zinsen hat ausgedient
Die Situation ist mit dem Tagesgeld zu vergleichen, nehmen die Deutschen an, denn dafür soll es 1,32 Prozent Zinsen geben. Es sind allerdings nur 0,34 Prozent. Beim Sparbuch angeblich 0,42 Prozent Zinsen, zurzeit liegt der Wert aber gerade mal bei 0,07 Prozent. Beim Festgeld und Sparbuch schütten Banken sogar noch weniger an ihre Kunden aus. Zum Beispiel die Deutsche Bank mit winzigen 0,01 Prozent Zinsen, wenn ein Kunde 10.000 Euro für ein Jahr anlegt. Die Historie ist der Grund, dass das Zinsniveau überschätzt wird. In Deutschland gab es zu früheren Zeiten als Naturgesetz zwei und mehr Prozent bei den drei Anlageformen. Scheinbar wurde dies von den Deutschen vollkommen verinnerlicht und der jetzige Einbruch der Rendite erscheint ihnen deshalb völlig unvorstellbar.
Selbst die hohe Einschätzung der Zinsen hat Folgen für die grundsätzlich sinkenden Ausschüttungen. Eine Folge ist: Für das Alter wird nicht mehr vorgesorgt, das Geld wird lieber ausgegeben. Bei einer Befragung wurde von 43 Prozent Bürgern angegeben, Erspartes zurückzulegen. Dagegen geben 47 Prozent ihre Reserven lieber für den Urlaub, Einkäufe und Besuche im Restaurant aus. Neun Prozent verblieben ohne Meinung.
Deutsche brechen mit Muffelvorurteil
Die zweite Konsequenz ist das zunehmende Setzen auf Aktien der Bundesbürger. Das Vermögen wurde zum Teil aus Anlagen wie Festgeldkonten zu Wertpapieren umgeschichtet. Damit wird das Vorurteil der Deutschen gebrochen, zu den größten Aktienmuffeln im internationalen Vergleich angehörig zu sein. Aktienfonds haben demnach einen 7 Prozent Anteil am durchschnittlichen Portfolio der Bundesbürger. Vier bis fünf Prozent sind es in Großbritannien und den Vereinigten Staaten.
Mit 3 Prozent steht der Anteil von Einzelaktien in der Bundesrepublik und dem Vereinigten Königreich gleich, in den USA 4 Prozent. Ähnlich sieht es bei den sogenannten Aktien-Exchange-Traded-Funds (ETF) aus. Wie der Deutsche Dax, bilden diese Finanzprodukte einen Index nach. Der Vorteil: Anleger zahlen im Gegensatz für von den Bankern gemanagten Fonds weniger Gebühren. Bei den ETFs macht das in deutschen und britischen Portfolios jeweils 1 Prozent und 2 in den US-amerikanischen aus.